„Leitungswasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel“ 🙅♂️
- Timo Bausch I Zertifizierter Wassersommelier
- vor 4 Tagen
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Diesen Satz höre und lese ich noch immer sehr oft! Zu oft!
Denn diese Aussage ist irreführend, weshalb das Werben mit diesem Satz unzulässig ist. So entschied das Landesgericht Hannover (Urteil 18 O 178/19 vom 07.12.2020).

Warum?
Das Gericht sieht in der Aussage eine unzulässige Werbebehauptung. Wasserversorger stellen ihr Produkt damit einseitig positiv dar und verschweigen gleichzeitig wichtige Nachteile. Die Aussage suggeriert eine Sicherheit, die aus rechtlicher Sicht an der Entnahmestelle im Haushalt überhaupt nicht mehr gegeben ist.
Denn ab dem Hausanschluss liegt die Verantwortung nicht mehr beim Versorger, sondern beim Eigentümer. Die Qualität des Trinkwassers kann beispielsweise durch alte Leitungen, stagnierendes Wasser, Perlatoren oder Wasserfilter beeinträchtigt werden. Genau an dem Punkt, an dem Leitungswasser rechtlich als Lebensmittel gilt, nämlich an der Entnahmestelle, wird es gar nicht mehr kontrolliert, so das Gericht.
Auch Stiftung Warentest kann diese Aussage nicht belegen. Ihre Tests prüfen zwar die Einhaltung der Trinkwasserverordnung, nicht aber, ob Leitungswasser tatsächlich strenger überwacht wird als andere Lebensmittel.
Viele Kontrollen = hohe Qualität? Nicht unbedingt.
Die Betonung der Kontrollintensität bei Leitungswasser ist also kein Qualitätsmerkmal, sondern eine Notwendigkeit. Denn Leitungswasser stammt meist aus Grund- oder Oberflächenwasser, das aufbereitet werden muss. Nicht umsonst sind bis zu 50 Chemikalien zugelassen, um Leitungswasser trinkbar zu machen. Natürliches Mineralwasser hingegen stammt aus geschützten, unterirdischen Quellen und ist von ursprünglicher Reinheit. Deshalb unterscheiden sich die vorgeschriebenen Kontrollen bei beiden Wasserarten erheblich.
Für unterschiedliche Produkte gelten unterschiedliche Vorschriften.
Für Leitungswasser gilt beispielsweise die Trinkwasserverordnung. Diese definiert die Häufigkeit und Art der Kontrollen. Die Qualität wird jedoch nur bis zum Hausanschluss garantiert. Auf dem Weg vom Hausanschluss zum Hahn können zahlreiche Faktoren wie die Leitungsqualität, die Wassertemperatur, Stagnationswasser in der Leitung, Wasserpartikelfilter und die Düse am Hahn (Perlator) die Wasserqualität beeinträchtigen.
Für Mineralwasser gilt die Mineral- und Tafelwasserverordnung (MTVO). Brunnenbetriebe müssen ein HACCP-Qualitätssystem vorweisen können, tägliche mikrobiologische Kontrollen durchführen und die gesetzlichen Grenzwerte dauerhaft unterschreiten. Nur dann wird das Wasser amtlich als Mineralwasser anerkannt. Es gibt sogar Brunnen, die biozertifiziert sind. Hier gelten nochmals strengere Regeln (in diesem Beitrag kannst Du mehr darüber nachlesen).
Nicht alle Grenzwerte sind gleich.
Beide Wasserarten erfüllen produktspezifische Grenzwerte, die sich aus ihrer jeweiligen Herkunft ergeben. So kann es beispielsweise bei Leitungswasser der Fall sein, dass es entkalkt werden muss, um Rohrleitungen und Haushaltsgeräte zu schützen. Solche Eingriffe sind bei Mineralwasser jedoch gesetzlich verboten. Hier dürfen lediglich Schwefel, Eisen und Kohlensäure entzogen werden.
Was bedeutet das für Verbraucher:innen?
Sowohl Leitungswasser als auch Mineralwasser sind sichere Lebensmittel. Doch sie sind grundlegend verschieden. Werblich darf daher nicht suggeriert werden, Leitungswasser sei das „am besten kontrollierte Lebensmittel”. Es darf auch nicht als gesund oder mineralienhaltig beworben werden. Das haben gleich mehrere Urteile bestätigt, zuletzt das Landgericht Landshut (1 HK O 2132/20). Entsprechend sollte eine faire Kommunikation zwischen Wasserversorgern und Mineralbrunnen stattfinden.
Mein Fazit:
Wasser ist nicht gleich Wasser. Wer die Unterschiede kennt, trifft bewusstere Entscheidungen. Und genau dafür steht auch mein Engagement als Wassersommelier.
In diesem Sinne: Drink water, #stayhydrated
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Beste Grüße
Timo Bausch
Zertifizierter Wassersommelier
Über Timo Bausch
Meine Faszination für Mineralwässer begann im Jahr 2016 während der Ausbildung zum Wassersommelier. Seitdem beschäftige ich mich mit den Besonderheiten und der Vielfalt von Wässern. Neben dem Pairing von Wasser mit Speisen, Wein, Kaffee und anderen Getränken biete ich Wasserkarten für Restaurants und Hotels. Zudem liegt es mir am Herzen, auf die Wichtigkeit des Wassertrinkens aufmerksam zu machen.
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